Wirtschaft einfach erklärt
Wirtschaftspolitik mit Kompass?
Die Ziele der neuen Bundesregierung
Am 9. April 2025 haben CDU/CSU und SPD einen Koalitionsvertrag unterzeichnet, in dem die wichtigsten wirtschaftspolitischen Leitlinien für die kommenden Jahre festgelegt sind. Wettbewerbsfähigkeit, die Gewinnung von Fachkräften, Bürokratieabbau und der Umbau zu einer grünen Wirtschaft sind die wichtigsten Themen. Doch was beinhalten die Wirtschaftspläne wirklich? Wir werfen einen Blick auf die wichtigsten Ziele der neuen Regierung.
Standortstärkung und Investitionen
Die Koalition hat sich auf ein 500-Milliarden-Euro-Sonderpaket für Infrastruktur, Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung geeinigt, um diese Bereiche wieder wettbewerbsfähig zu gestalten. Davon sollen 100 Milliarden Euro an Kommunen und Länder gehen. Außerdem soll es zu einer Modernisierung aller Verkehrswege kommen und Ausbauprojekte sollen deutlich beschleunigt werden.
Das Paket soll nicht nur bestehende Lücken schließen, sondern auch strukturelle Investitionen ermöglichen, die langfristig die Attraktivität des Standorts Deutschland sichern sollen. Der Fokus liegt dabei nicht nur auf dem Neubau, sondern insbesondere auch auf der Sanierung bestehender Infrastruktur, etwa bei Brücken, Bahnstrecken und dem Schienennetz. Die Bundesregierung plant zudem, bei der Umsetzung verstärkt auf öffentlich-private Partnerschaften zu setzen, um Projekte schneller und effizienter umzusetzen. Investitionen in Bildung sollen primär in den Ausbau digitaler Lehrmittel, die Modernisierung von Schulgebäuden sowie die Förderung von Forschungseinrichtungen fließen.
Finanzpolitik und Unternehmensförderung
Die Schuldenbremse bleibt vorerst grundsätzlich bestehen, jedoch soll eine Expertenkommission einen Modernisierungsvorschlag entwickeln. Vorerst soll es zu keinen Steuererhöhungen für breite Bevölkerungsschichten kommen. Um Investitionen zu fördern, plant die neue Bundesregierung eine schrittweise Senkung der Körperschaftssteuer. Zudem soll eine degressive Abschreibung von 30% für Investitionen zwischen 2025 und 2027 eingeführt werden. Die durch Steuern finanzierte Forschungsförderung soll ausgebaut werden.
Die degressive Abschreibung ist ein deutliches Signal für mehr Investitionen. Unternehmen sollen so einen Anreiz bekommen, schneller in neue Maschinen, Anlagen oder moderne Technik zu investieren und die Kosten dafür zügiger zurückzubekommen. Auch die steuerliche Forschungsförderung wird intensiviert: Hier ist ein Anstieg der maximal förderfähigen Projektvolumina vorgesehen, sowie eine Ausweitung auf kleine und mittlere Unternehmen, die bislang häufig durch die Kriterien fielen. Damit soll Deutschland als Innovationsstandort attraktiver gemacht werden. Die Diskussion um die Schuldenbremse dürfte derweil weitergehen: Zwischen haushaltspolitischer Disziplin und dem dringenden Investitionsbedarf wird ein Ausgleich gefunden werden müssen.
Arbeitsmarkt und Fachkräfte
Die Arbeitszeit soll nun wöchentlich statt täglich reguliert werden, um diese flexibler zu gestalten. Außerdem soll die duale Ausbildung gefördert und weitere Anreize für Unternehmen gesetzt werden. Zusätzlich soll es Maßnahmen geben, um die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu steigern.
Die Reform der Arbeitszeitregelungen trägt der veränderten Arbeitswelt Rechnung. Flexibilisierung bedeutet in diesem Fall nicht nur mehr Freiheit für Arbeitgeber:innen, sondern auch für Arbeitnehmer:innen, etwa durch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Förderung der dualen Ausbildung wird flankiert von einer Modernisierung der Berufsschulen, einer stärkeren Einbindung digitaler Inhalte und gezielter Werbung für MINT-Berufe. Um mehr Frauen für den Arbeitsmarkt zu gewinnen, werden Investitionen in die Kinderbetreuung sowie steuerliche Anreize für eine gleichmäßigere Verteilung von Erwerbsarbeit angestrebt. Auch Programme zur Förderung von Rückkehrer:innen nach der Elternzeit sind Teil des Pakets.
Klimaschutz und Transformation der Wirtschaft
Die Leitlinien des Pariser Klimaabkommens werden weiterhin verfolgt und dem Ziel der Klimaneutralität 2045 wird weiterhin nachgegangen. Die Stromsteuer soll zukünftig auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden. CO₂-neutrale Industrieprozesse sollen gefördert werden.
Mit der Senkung der Stromsteuer will die Koalition den Wandel zu einer klimaneutralen Industrie beschleunigen. Für energieintensive Unternehmen ist dies ein wichtiges Signal, denn die hohen Energiekosten gelten als erheblicher Standortnachteil. Die Förderung CO₂-neutraler Industrieprozesse betrifft unter anderem den Einsatz von Wasserstoff, die Elektrifizierung industrieller Verfahren sowie Carbon Capture and Storage (CCS). Außerdem sollen staatliche Förderprogramme für die energetische Gebäudesanierung und die Installation von Photovoltaik-Anlagen aufgestockt werden. Die Industrie soll beim Umbau aktiv eingebunden und durch Innovationspartnerschaften unterstützt werden.
Digitalisierung und Bürokratieabbau
Zur Vereinfachung von Verwaltungsleistungen plant die Regierung die Einführung einer digitalen Bürger-ID. Zudem sollen regelmäßige Bürokratie- und Praxis-Checks helfen, überflüssige Berufspflichten und unnötige Datenerhebungen abzubauen. Eine zentrale Digitalagentur soll künftig die Umsetzung staatlicher Digitalprojekte koordinieren und effizienter gestalten.
Die Einführung der digitalen Bürger-ID könnte ein Meilenstein für die öffentliche Verwaltung werden. Bürger:innen sollen damit online auf nahezu alle staatlichen Dienstleistungen zugreifen können, von der Steuererklärung bis zur Kfz-Zulassung. Die Digitalagentur soll als zentrale Schnittstelle zwischen Bund, Ländern und Kommunen agieren, um Insellösungen zu vermeiden und Standards zu setzen. Auch für Unternehmen sind die geplanten Maßnahmen ein Hoffnungsschimmer: Genehmigungsverfahren sollen verkürzt, Berichtspflichten reduziert und Verwaltungsprozesse automatisiert werden. Bürokratieabbau ist eines der zentralen Versprechen der Koalition, die Umsetzung wird zeigen, ob es diesmal mehr als nur ein Lippenbekenntnis ist.
Europa und Außenwirtschaft
Gemeinsame Industrieprojekte auf europäischer Ebene sollen gezielt gefördert werden. Gleichzeitig plant die Bundesregierung neue Strategien, um internationale Lieferketten widerstandsfähiger und krisensicherer zu gestalten. Auch die Zahl der Handelsabkommen mit wichtigen Partnerländern soll steigen. Zudem soll der Aufbau eines digitalen europäischen Binnenmarkts vorangetrieben werden, um Innovation und grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU zu stärken. IPCEIs (Important Projects of Common European Interest) sollen vorangetrieben werden, etwa in Bereichen wie Batterieproduktion, Halbleiterfertigung und Wasserstofftechnologien. Neue Handelsabkommen mit Ländern in Asien, Lateinamerika und Afrika sollen den Zugang zu Rohstoffen sichern und wirtschaftliche Abhängigkeiten reduzieren. Der digitale Binnenmarkt soll durch einheitliche Standards, Datenräume und einen verstärkten Austausch digitaler Dienste zwischen den Mitgliedstaaten Realität werden. Deutschland sieht sich dabei als Taktgeber und Brückenbauer innerhalb der EU.
Fazit
Im neuen Koalitionsvertrag der CDU/CSU und SPD wird ein klarer Fokus auf Investitionen, Steuerentlastungen, Digitalisierung und Bürokratieabbau gesetzt. All das mit dem großen Ziel, Deutschland und vor allem die deutsche Industrie zukünftig wieder wettbewerbsfähiger zu machen, aber auch die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu beschleunigen.
Dabei soll das neue Investitionspaket die Modernisierung anschieben, wobei die bleibende Diskussion rundum die Schuldenbremse zu einem möglichen Spannungsfeld zwischen Investitionen und Haushaltsdisziplin führen könnte. Die steuerlichen Entlastungen sollen den Unternehmensstandort Deutschland stärken, und die Unternehmen von den zusätzlichen Abschreibungen und den Investitionen in die Infrastruktur profitieren. Die Schlüsselziele Digitalisierung und Bürokratieabbau scheinen sehr vielversprechend, doch wir werden abwarten müssen, wie gut die Umsetzung sein wird. Nicht zu unterschätzen ist dabei vor allem, dass viele Maßnahmen des Koalitionsvertrags unter Finanzierungsvorbehalt stehen, also davon abhängen, ob und in welchem Umfang Mittel tatsächlich bereitgestellt werden können. Das betrifft insbesondere größere Investitionsvorhaben und Zukunftsprojekte.
Wir haben nun also einen Blick in den Koalitionsvertrag der Parteien CDU/CSU und der SPD geworfen. Für Bürger:innen aber auch für Unternehmen soll eine spürbare Verbesserung in den Bereichen Infrastruktur, Verwaltung aber auch Versorgung entstehen. Die Erfolge der Koalition werden sich in der Wirtschaft vor allem an konkreten Fortschritten bei Digitalisierung, Klima und Wachstum messen lassen.
Die kommenden Jahre werden zeigen, ob es der neuen Bundesregierung gelingt, die ambitionierten Pläne in konkretes politisches Handeln umzuwandeln. Klar ist: Die Herausforderungen sind groß, die Erwartungen ebenso.
Unsere Empfehlung
Wer an einem tiefergehenden Einblick in die politischen Vorhaben der neuen Bundesregierung interessiert ist, findet in vielen Folgen des Podcasts „Lage der Nation“ eine fundierte Analyse zu aktuellen Thematiken.