Wirtschaft einfach erklärt
Wirtschaft & Krieg
Wenn Kanonen Märkte beeinflussen
Wie Kriege unsere Wirtschaft verändern und was das mit deinem Alltag zu tun hat
Stell dir vor, du gehst in den Elektronikladen, um dir ein neues Smartphone zu kaufen, aber plötzlich sind die Preise deutlich höher als noch vor ein paar Monaten. Oder du stehst im Supermarkt und wunderst dich, warum bestimmte Lebensmittel plötzlich fehlen oder teurer geworden sind. Hinter solchen Entwicklungen kann ein Ereignis stehen, das auf den ersten Blick gar nichts mit deinem Leben zu tun hat, ein Krieg.
Kriege beeinflussen nicht nur Menschen vor Ort oder Soldat:innen in Uniform. Sie wirken sich auf die gesamte Welt aus, vor allem auf die Wirtschaft. Doch wie genau funktioniert das eigentlich? Was haben Raketen mit steigenden Preisen zu tun? Und warum ist ein Krieg in einem anderen Land plötzlich auch für uns in Deutschland ein Problem?
Der Bildungsökonom Andreas Forner hat in seinem Buch „Wirtschaft und Krieg“ genau diese Fragen untersucht. Er zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie eng wirtschaftliche Entwicklungen und militärische Konflikte miteinander verbunden sind und das nicht nur im Rückblick auf vergangene Jahrhunderte, sondern ganz konkret in unserer Gegenwart. Wenn sich die Welt politisch verändert, sei es durch einen Krieg, eine militärische Eskalation oder einen neuen geopolitischen Machtkampf, hat das fast immer spürbare Folgen für unseren Wohlstand, unsere Preise und unsere wirtschaftliche Sicherheit.
Forner ist dabei nicht allein. Auch die Wissenschaftler Gerald Schneider, Michael Bechtel und Christian Fahrholz beschäftigen sich in ihrem Buch „Krieg, Kooperation, Kursverlauf“ mit dem spannenden Zusammenspiel zwischen internationaler Politik, wirtschaftlichem Verhalten und der Reaktion von Finanzmärkten auf militärische Konflikte. Sie zeigen unter anderem, dass nicht nur der Krieg selbst wirtschaftliche Folgen hat, sondern schon die bloße Androhung von Gewalt oder das Scheitern internationaler Verhandlungen zu Unsicherheit führen kann, etwa an Börsen, auf den Devisenmärkten oder im Rohstoffhandel.
Ihr Ansatz macht deutlich: Die Wirtschaft reagiert nicht erst, wenn die ersten Bomben fallen. Schon das Aufbrechen diplomatischer Beziehungen, das Abbrechen von Handelsverträgen oder das Scheitern von Friedensverhandlungen hat unmittelbare Konsequenzen, zum Beispiel durch sinkende Aktienkurse, steigende Energiepreise oder einen Rückgang von Investitionen.
Was bedeutet Krieg für die Wirtschaft?
In der Wirtschaft geht es um Produktion, Handel, Preise und Konsum – also im Grunde um alles, was unseren Alltag betrifft. Ein Krieg stört genau diese Abläufe. Wenn ein Land angegriffen wird, können dort keine Waren mehr produziert oder transportiert werden. Wenn ein Land selbst einen Krieg beginnt, fließen riesige Geldsummen in Rüstung, Soldat:innen und Ausrüstung, Geld, das an anderen Stellen fehlt, etwa für Schulen, Krankenhäuser oder Klimaschutz.
Andreas Forner beschreibt, dass die Wirtschaft in einem Krieg oft auf "Kriegswirtschaft" umgestellt wird. Das bedeutet, dass die gesamte Industrie und Arbeitskraft auf das Ziel ausgerichtet wird, den Krieg zu gewinnen. Statt Autos oder Haushaltsgeräte werden plötzlich Panzer und Munition gebaut. Die Produktion von Gütern, die für das tägliche Leben wichtig sind, wird zurückgestellt. Das kann zu Engpässen und Preissteigerungen führen.
Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Krieg in der Ukraine. Durch den Krieg wurden wichtige Getreideexporte blockiert. Länder in Afrika und im Nahen Osten, die stark von diesen Lieferungen abhängig sind, hatten plötzlich ein riesiges Problem: Lebensmittel wurden knapp und teuer. Auch wir in Europa spürten die Folgen, in Form von gestiegenen Brotpreisen und Unsicherheiten auf dem Energiemarkt, weil auch Öl- und Gaslieferungen betroffen waren.
Krieg ohne Waffen: Wirtschaftskriege
Nicht jeder Krieg wird mit Waffen geführt. Es gibt auch sogenannte Wirtschaftskriege. Dabei setzen Länder ihre wirtschaftliche Macht ein, um andere Staaten unter Druck zu setzen. Das passiert zum Beispiel durch Sanktionen, also gezielte Handelsverbote oder Finanzsperren.
Ein Beispiel ist der Konflikt zwischen Russland und westlichen Staaten nach dem Einmarsch in die Ukraine. Viele europäische Länder und die USA haben Sanktionen gegen Russland verhängt: Russische Banken wurden vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen, bestimmte Güter dürfen nicht mehr exportiert oder importiert werden. Ziel dieser Maßnahmen ist es, den wirtschaftlichen Druck so stark zu erhöhen, dass ein Land seine Politik ändert.
Diese Art von "Krieg" ist zwar nicht sichtbar wie Bomben oder Soldat:innen, aber genauso wirkungsvoll. Wirtschaftskriege treffen nicht nur Regierungen, sondern auch ganz normale Menschen. Wenn Unternehmen nicht mehr exportieren können, verlieren Arbeiter:innen ihre Jobs. Wenn bestimmte Rohstoffe fehlen, steigen die Preise. Und wenn ganze Märkte wegbrechen, geraten auch andere Länder in Schwierigkeiten, sogar solche, die gar nichts mit dem eigentlichen Konflikt zu tun haben.
Was sagen berühmte Ökonomen über Krieg?
Der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Krieg ist nicht neu. Schon vor über 200 Jahren beschäftigte sich der schottische Ökonom Adam Smith mit dieser Frage. In seinem berühmten Werk „Wohlstand der Nationen“ beschrieb er, wie Handel und Arbeitsteilung zu mehr Wohlstand führen. Gleichzeitig warnte er jedoch davor, dass wirtschaftlich erfolgreiche Länder durch ihren Reichtum auch zur Zielscheibe für andere werden könnten. Denn dort, wo viel zu holen ist, wächst auch die Gefahr von Angriffen.
Smith erkannte, dass Wohlstand geschützt werden muss, notfalls mit militärischen Mitteln. Er sah aber auch ein Problem: Je reicher und arbeitsteiliger ein Land wird, desto weniger Menschen sind bereit oder in der Lage, für diesen Reichtum zu kämpfen. Er meinte, dass friedliches Wirtschaften und gewaltsames Kämpfen schwer miteinander vereinbar seien.
Auch Karl Marx, ein anderer berühmter Wirtschaftstheoretiker, sah in der Wirtschaft den Ursprung vieler Kriege. Für ihn war der Kapitalismus schuld: Reiche Länder beuten arme Länder aus, und wenn es dabei zu Konflikten kommt, eskaliert das schnell zu einem Krieg. Er sah den Krieg als Folge eines ungerechten Wirtschaftssystems, das auf Ausbeutung beruht.
Der britische Ökonom John Maynard Keynes hatte wiederum eine andere Perspektive. Er erkannte, dass Staaten im Krieg plötzlich sehr viel Geld ausgeben, zum Beispiel für Waffen, Soldaten und neue Technologien. Diese Ausgaben können kurzfristig die Wirtschaft ankurbeln, weil viele neue Jobs entstehen. Aber langfristig, warnte er, führt das oft zu Schuldenkrisen und wirtschaftlicher Unsicherheit.
Diese unterschiedlichen Sichtweisen zeigen: Krieg ist nicht nur ein politisches, sondern auch ein wirtschaftliches Phänomen. Und umgekehrt kann die Wirtschaft ein Grund für Krieg sein, zum Beispiel, wenn es um Rohstoffe, Handelsrouten oder politische Macht geht.
Globalisierung unter Beschuss
Wir leben in einer globalisierten Welt. Das bedeutet: Produkte, die wir täglich nutzen, wie Smartphones, Kleidung oder Lebensmittel, werden in vielen verschiedenen Ländern hergestellt. Einzelne Bauteile kommen aus China, die Software vielleicht aus den USA, der Zusammenbau erfolgt in Vietnam.
Doch genau diese weltweite Vernetzung ist in Kriegszeiten besonders anfällig. Wenn nur ein Glied der Kette ausfällt, zum Beispiel weil eine Fabrik bombardiert wurde oder ein Hafen blockiert ist, kann das die ganze Produktion lahmlegen. In der Corona-Pandemie haben wir das bereits erlebt. Der Krieg in der Ukraine hat diesen Trend verschärft.
Viele Länder denken nun um. Sie wollen wieder mehr Produkte im eigenen Land herstellen, um unabhängiger zu werden. Das nennt man Deglobalisierung. Doch das hat seinen Preis. Wenn jedes Land alles selbst produziert, wird es oft teurer und ineffizienter. Die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung, also dass jeder das produziert, was er am besten kann, gehen verloren.
Was hat das mit dir zu tun?
Vielleicht fragst du dich jetzt: Warum sollte mich das alles interessieren? Ich gehe zur Schule oder mache eine Ausbildung, was hat Krieg mit mir zu tun?
Die Antwort ist: Sehr viel. Kriege beeinflussen deine Lebenswirklichkeit, ob du willst oder nicht. Wenn durch militärische Konflikte die Energiepreise steigen, müssen deine Eltern vielleicht mehr für Strom oder Heizung bezahlen. Wenn Unternehmen wegen unsicherer Märkte weniger investieren, gibt es möglicherweise weniger Ausbildungsplätze. Wenn der Staat viel Geld in Rüstung steckt, bleibt womöglich weniger für Bildung oder Digitalisierung übrig.
Andreas Forner spricht in seinem Buch von einer „gewendeten Zeit“. Das bedeutet: Viele bisherige Gewissheiten, wie Frieden in Europa oder eine verlässliche Weltwirtschaft, gelten nicht mehr. Unsere Generation muss sich mit multiplen Krisen auseinandersetzen: Kriege, Inflation, Klimawandel, geopolitische Machtverschiebungen. In dieser Situation ist es besonders wichtig, wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen. Denn wer die Wirtschaft versteht, kann besser mitreden und mitgestalten.
Frieden lohnt sich – auch wirtschaftlich
Am Ende bleibt eine klare Erkenntnis: Frieden ist nicht nur moralisch richtig, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. In stabilen und friedlichen Verhältnissen kann die Wirtschaft wachsen, Menschen können arbeiten, forschen und erfinden. Bildung, Wohlstand und Innovation gedeihen nur dort, wo Sicherheit herrscht.
Deshalb lohnt es sich, für den Frieden zu einzustehen und neue Antworten zu finden. Antworten, die nicht nur auf wirtschaftlichem Erfolg beruhen, sondern auf Fairness, Nachhaltigkeit und Zusammenarbeit.
Unsere Empfehlung
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